Auf der turkmenischen Seite fragten sie nach dem Visum, wie hatten aber nur den Einladungsbrief. Unser Führer war nirgends zu sehen und den Namen wussten wir ebenfalls nicht. Also mussten wir warten, das kannten wir bereits. Die jungen Soldaten an der Grenze konnten tatsächlich Englisch und wollten sich möglichst viel mit uns unterhalten. Da es eiskalt war und schneite eine ungemütliche Situation. Wir sassen zwischen den Grenzen fest. Ich durfte nicht mal mit Royan 10m vom Auto weg. Als um 11Uhr noch immer nichts passiert war, hielt ich es nicht mehr aus und rief in Almaty an, um zu fragen was los ist. Von Almaty erfuhren wir dass der, bzw. die Führerin keinen frühen Flug mehr bekommen hatte und das spätere Flugzeug nehmen musste. Angeblich müsste sie aber trotzdem schon da sein. Also weiter warten, bis sie dann kurz nach 13:00 endlich auftauchte. Geplant wäre gewesen Konja Urgench anzuschauen und danach 260km zur Wüstenoase Darvaza zu fahren, dort einen brennenden Gaskrater anzuschauen und zu übernachten. Zuvor hatten wir, ganz nach Vorschrift, unseren Aufenthalt genau planen müssen. Dass die Strasse bis Darvaza sehr schlecht ist und man Minimum 6 Stunden braucht wussten wir bereits. Ob wir die 6km Sandpiste bis zum Gaskrater mit unserem Auto schaffen würden, war mehr als fraglich. Mitten in der Nacht eine Art Taxijeep aufzutreiben konnten wir sowieso vergessen. Entsprechend war unsere Stimmung, als wir trotz Führerin nochmals 3 Stunden am turkmenischen Zoll verbrachten. Auf jeden Fall realisierte ich, dass es nicht nur an meinen mangelnden Russisch Kenntnissen lag, wenn an den anderen Grenzen manchmal der Eindruck entstand, alles laufe chaotisch und fürchterlich umständlich. Ein bisschen schadenfroh war ich, dass es ihr genauso ging, obwohl uns fast der Geduldsfaden riss, da uns die Zeit davonlief. In aller Eile machten wir eine Autotour durch Konja Urgench, füllten den Tank (Angela bezahlte grosszügig, weil wir noch kein turkmenisches Geld wechseln konnten) und holperten die ersten 30 km noch bei Tageslicht. Der arme Royan war schon um seinen Spaziergang gekommen und wurde nun auch noch durchgeschüttelt, wie damals in der Mongolei. Vor lauter Löchern wusste man zeitweise nicht mehr wo eigentlich noch Asphalt ist. Manche waren so tief, dass selbst die Lastwagen nur im Schritttempo fahren konnten. Ausweichen war unmöglich ohne grad ins nächste reinzufahren. Ich glaube das war die schlimmste Horrorfahrt auf unserer ganzen Reise. Walter konnte bei Nacht die gefährlichen Stellen viel später sehen, als bei Tageslicht und wollte sich trotzdem beeilen. Zu allem Überfluss schneite es auch noch. Schade war, dass wir von der Landschaft nur das sahen, was die Scheinwerfer erreichten, viele Sanddünen und grosse Saxaulbäume. Da wir an der Grenze ständig dachten, der Führer kommt im nächsten Moment, hatten wir nichts gekocht, und seit dem Frühstück nichts gegessen. Glück im Unglück war, dass Angela, so hiess die Frau Führerin, sehr nett war. Sie arbeitete eigentlich für ein anderes Reisebüro. Dass sie zu spät war, lag an der schlechten Organisation von Stantours (Visaagentur in Almaty). Da die Leute von Stantours ihr nicht sagen konnten, mit was für einem Auto wir kommen (obwohl sie es in Almaty gesehen hatten), hatte sie einen Fahrer mit Jeep nach Darvaza bestellt, damit wir ganz sicher bis zum Gaskrater fahren könnten. Dummerweise wartete der nun auch schon seit Stunden in der Kälte in Darvaza, das nur aus einigen klapprigen Teestuben und ein paar Jurten bestand. Nachts um 12 Uhr waren wir endlich dort--- und fanden den Ladajeep nicht. Ich war schon sehr froh war diese Nachtfahrt zu Ende, die Frage war nur wo Angela schlafen würde wenn wir Igor nicht finden konnten. Er hatte das Zelt, Essen und den Schlafsack dabei. Nach ein paar Mal hin und zurück fahren sahen wir den Lada doch noch am Strassenrand stehen. Vermutlich hat Igor das Auto die ganze Zeit laufen lassen, sonst wäre er eingefroren bei dem eiskalten Wind. Schneetreiben in der Sandwüste ist vielleicht speziell und fast schon surrealistisch, aber gemütlich sicher nicht. Igor nahm es mit Fassung, er hatte sich nur Sorgen gemacht, ob wir wohl eine Panne hätten und vielleicht Hilfe brauchten, als wir solange nicht auftauchten. Benachrichtigen konnte man ihn nicht, da es keine Telefonverbindung gibt. Schnell waren alle in den Lada umgestiegen und los ging’s Richtung Gaskrater. Der Lada wühlte sich durch den Sand und Igor legte ein flottes Tempo vor. Schon von weitem hatten wir den Feuerschein gesehen. Beim Näherkommen sah das Loch aus wie der Eingang zur Hölle, wie eine Szene aus dem Film „ Der Herr der Ringe“. Die Flammen fauchten, wie wenn mehrere Ballonfahrer gleichzeitig „Gas geben“ würden. Das etwa 50m tiefe Loch war ungefähr 50m X 100m gross. Nach Sondierbohrungen auf der Suche nach Erdgas war die Erde eingebrochen. Die Ränder sind weich und immer wieder waren Kamele hineingestürzt. Ein Gerücht ist, dass ein Hirte das Gas angezündet hat, damit keine Kamele mehr hineinfallen. Seit 1970 lodern die Flammen nun aus unzähligen Erdritzen. Selbst aus der sicheren Entfernung vom Abgrund, war es so warm als stünde man vor einem Lagerfeuer. Ein sehr beeindruckendes Schauspiel, das wir nach einigem Hin und Her nun doch noch zu Gesicht bekamen. Wieder zurück beim Auto suchten wir einen einigermassen windgeschützten Platz. Igor machte sofort Feuer (mit Benzin übergossenem Saxaulholz) um bald Glut für die Schaschlikspiesse zu haben. Angela hatte alles Mögliche eingekauft, es wäre richtig schön gewesen, hätten wir die Skijacken und Wolldecken nicht gebraucht. Wodka, die Medizin für alle Fälle fehlte natürlich nicht. Bis wir auf dies und jenes und die neue Freundschaft angestossen hatten, war die Stimmung bereits recht locker und gegen 5 Uhr morgens kamen wir endlich ins Bett. Angela nahm unser Angebot auf dem Beifahrersitz zu schlafen gerne an, draussen pfiff immer noch ein eiskalter Wind. Man konnte den Liegesitz zwar nicht ganz flach stellen, aber immer noch gemütlicher als draussen. Igor der Naturbursche aus Russland schlief draussen im Zelt. Etwas verkatert, aber glücklich über die nun viel bessere Strasse fuhren wir 4 Stunden später weiter Richtung Ashgabat. Nahe der Strasse gab es noch zwei grosse Krater aus denen Gas strömte, jedoch nicht brannte. In einem blubberte es aus einem kleinen See, so dass es aussah wie Mineralwasser, wäre da der strenge Geruch nicht gewesen. Im nächsten Krater sah der Schlamm aus wie kochende Lava in einem Vulkankegel. Die Wüstenlandschaft mit den Sanddünen und vereinzelten Kamelen sah im Sonnenlicht grossartig aus. Um den Papierkram an den verschiedenen Checkpoints kümmerte sich Angela und wir genossen unseren Status als Pauschaltouristen dieses Mal. Ashgabat kam in Sicht und die verschneiten Berge dahinter sahen grandios aus. Auf dem Bergzug liegt die iranische Grenze, die Passtrasse dorthin schlängelt sich zwischen den über 4000m hohen Bergen durch, und ist Sperrgebiet, ausser für diejenigen mit Spezialbewilligung bzw. Ausreisende nach Iran. Zwei Tage hatten wir ein Hotel gebucht, und waren froh, dass wir die Erlaubnis bekamen, Royan mit ins Zimmer zu nehmen. Das Bad gross genug für Walters Rollstuhl, nicht unwesentlich wenn man solange diesen Luxus nicht hatte. Wir waren die einzigen Gäste. Den folgenden Morgen verbrachten wir auf der iranischen Botschaft. Die Iraner waren sehr nett und gaben uns sogar ein Visum für zwei Monate, das in der Rekordzeit von 3 Stunden ausgestellt war. Am Ende schenkte der Beamte uns noch eine Iranische Strassenkarte in Englisch und zwei Informationsheftchen über sein Land. Der erste Eindruck vom Iran war sehr positiv. Danach suchten wir das Mercedes Center, denn der Griff der Schiebetür war abgerissen, und wir hofften einen neuen auftreiben zu können. Sie hatten tatsächlich einen an Lager, und ein Büroangestellter sprach sogar ein bisschen Deutsch. Der Griff kostete 24$ und für 6$ wechselten sie ihn aus. Beim Warten in der Werkstatt stellten wir verblüfft fest, dass dort mehrere Mechaniker ebenfalls ein paar Brocken deutsch konnten, einer davon sogar sehr gut. Sie erzählten uns, dass sie seit einem halben Jahr 3 Stunden in der Woche von der Firma organisierten Deutschunterricht hätten. Alle waren sehr interessiert und hilfsbereit. Auf dem Rückweg fanden wir eine Dieseltankstelle, und für 1 Dollar gab’s 60 Liter Diesel. Auf die Art kann man billig Reisen. Danach gerieten wir das erste Mal ohne Führer in einen Checkpoint, es war auch nichts anderes als in den vorhergehenden Ostblockländern, ging auch nicht länger als mit Führer. Nur in Ashgabat durften wir uns ohne Führer bewegen. Die Stadt wirkt sehr künstlich mit ihren riesigen mehrspurigen Strassen, auf denen in manchen Gegenden kaum Autos unterwegs sind. Überall stehen neue grosse, etwas protzige Gebäude. Auf jedem zweiten prangt das Bild des „Grossen Turkmenbashi“. Das ist der Präsident, der hier allmächtig ist. Seine Goldene Statue dreht sich auf einem fast hundert Meter hohen Turm mit der Sonne. Auch sonst gibt es mehrere goldene Statuen von ihm und überall werden auf Plakaten seine 3 Bücher gepriesen, als wären sie die Bibel selbst. Seinen Palast darf man nicht fotografieren, ein Wachsoldat verbot uns gar ihn von aussen anzuschauen. Polizisten und Wachsoldaten gibt es wie Sand am Meer und in allen Hotels sollen angeblich Wanzen installiert sein. Der Geheimdienst scheint sehr aktiv zu sein, Zustände wie in der früheren Sowjetunion, nur mit einem grössenwahnsinnigen Diktator an der Spitze. Selbst das Abschicken eines Briefes ist so kompliziert, dass mir jemand riet ihn besser vom Iran aus abzuschicken. Die Leute sind allerdings sehr nett und offen Fremden gegenüber, auch wenn diese kein turkmenisch sprechen. Walter war beim Coiffeur, dieser redete während der ganzen Zeit mit ihm, trotz der Sprachprobleme verständigten sie sich und am Ende verlangte er kein Geld, weil wir Gäste sind (Walter gab ihm aber trotzdem was, worüber er sich dann auch freute ). Auch auf dem Markt bekamen wir immer wieder etwas geschenkt, ob der Rollstuhl oder die Gastfreundschaft der Grund waren, weiss ich nicht. Als wir dann am 24. November bei strahlendem Wetter mit Angela zur iranischen Grenze fuhren war alles verschneit. Die Turkmenen hatten ein neues Zollgebäude gebaut und ausser uns war von der turkmenischen Seite nur ein einziges Auto da. Von der iranischen Seite kamen mehrere Laster (vor allem aus der Türkei). Wir mussten warten, dieses Mal weil der Strom ausgefallen war. Das neue Gebäude sollte wohl wie viele andere, einen glänzenden Eindruck machen, denn überall hatte man polierten Granit oder Fliessen verwendet, wie man sie in einer Dusche erwarten würde. Da es geschneit und noch immer Minusgrade hatte, war es ein richtiges Abenteuer, die vereisten Aussentreppen zu den verschieden Büros zu erklimmen oder noch spannender, von dort auch unbeschadet wieder hinunterzukommen. Besonders Angela, wie alle Frauen in schicken Schuhen (highheels) die Eisglätte nicht gewöhnt sind, bewegte sich, als stünde sie zum ersten Mal auf Schlittschuhen. Die Gebäude waren zwar neu, der langweilige Bürokrieg jedoch nicht. Auch die Arbeitsweise, mit den irgendwo aufgestellten Schreibtischen und den sieben Sachen darauf, von der Zeitung bis zum Pausenimbiss und den obligatorischen Rechenschulheften mit den selbstgemachten Tabellen, hätte gut in eine alte Bretterbude gepasst. Irgendwann gab’s dann wieder Strom und nach 1 1/2 Stunden waren die Zollformalitäten erledigt. Wir verabschiedeten uns von Angela und ich montierte mein Kopftuch, daran gewöhnte ich mich auch in den folgenden 2 Monaten nicht.

 


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